Äthiopien und Somalia: Aussöhnung am Horn von Afrika?

Die trilateralen Verhandlungen zwischen der Türkei, Äthiopien und Somalia in Ankara Ende 2024 führten zur Annäherung zwischen Addis Abeba und Mogadischu. Von dieser profitiert auch Ankara, während Ägypten das Nachsehen hat. Jedoch stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit der neuen äthiopisch-somalischen Verbindung.
Kern der Aussöhnung zwischen Äthiopien und Somalia ist die Anerkennung der gemeinsamen Landgrenze sowie die Schaffung eines Handelskorridors, der augenscheinlich Äthiopien mit Mogadischu verbinden soll. Für Februar sind weitere Gespräche vorgesehen, die die genauen Modalitäten des Korridors festlegen werden. Klar scheint zu sein, dass er durch ein Gebiet führen wird, das in Reichweite der islamistischen al-Shabaab-Miliz liegt. Zur nötigen Sicherung des Korridors wird Mogadischu daher auf die Unterstützung Äthiopiens angewiesen sein.
Die Annäherung zwischen Äthiopien und Somalia erfolgte unter Vermittlung der Türkei. Ankara zeigt seit geraumer Zeit ein großes Interesse am Horn von Afrika: Die vom Persischen Golf in die Türkei führenden Seehandelswege verlaufen über die Region. Folglich hat die Türkei in Mogadischu eine Marinebasis eingerichtet. Um ihren Einfluss am Horn von Afrika zu festigen, ist eine Stabilisierung in Somalia auch von türkischem Interesse. Äthiopien kann die Türkei bei diesem Unterfangen unterstützen. Umgekehrt gilt aber auch, dass Addis Abeba Somalia destabilisieren kann, wenn Äthiopien Milizen unterstützt, die der Regierung in Mogadischu feindlich gegenüberstehen. Dies würde etwa dann eintreten, wenn Ägypten seine Truppenpräsenz in Somalia erhöht, um Rebellengruppen in Äthiopien gegen die Regierung in Addis Abeba zu unterstützen. Ziel dieses Unterfangens seitens Kairos wäre es, Addis Abeba unter Druck zu setzen, um das GERD-Staudammprojekt am Blauen Nil einzustellen und auch auf den Hafen von Berbera in der Nähe der Straße von Bab-al-Mandab zu verzichten. Indessen steht Ägypten mit der aufstrebenden Türkei in geostrategischer Rivalität. Ankara scheint an der strategischen Einkreisung des Landes am Nil zu arbeiten: Die Türkei kann nun maßgeblichen Einfluss in Syrien ausüben, der von dort aus auch in den Libanon und nach Jordanien ausstrahlen kann. Darüber hinaus ist die Türkei auch in Libyen militärisch präsent und bemüht sich im Sudan durch Friedensvermittlung um eine diplomatische Rolle. Diese Umfassung kann durch eine Allianz mit Äthiopien abgeschlossen werden. Folglich legt Ankara nun großen Wert auf den äthiopischen Meereszugang und scheint bereit, Somalia diesbezüglich unter Druck zu setzen: Dessen Zentralregierung ist finanziell von der Türkei abhängig. Im Inland sieht sich die somalische Regierung mächtigen Bundesstaaten und der Al-Shabaab-Miliz gegenüber. Keine guten Voraussetzungen, um sich den Wünschen aus Ankara zu widersetzen. Andererseits ist auch Äthiopien nicht in der stärksten Position: Zwar projiziert das Land militärische Macht nach Somalia, ist jedoch im Inneren selbst durch ethnische Konflikte zerrissen. Um diese unter Kontrolle zu halten und Ägypten keinen Einfluss zu gewähren, ist für Addis Abeba eine gute Beziehung zu Somalia wichtig.

Äthiopien und Somalia haben sich zwar zu den von der Türkei vermittelten Gesprächen bereit erklärt, halten sich aber Hintertüren offen: Addis Abeba betont etwa, die Vereinbarung mit Somaliland vom Januar 2024 über den Hafen von Berbera besitze weiterhin Gültigkeit. Damit soll laut Beobachter*innen ein Faustpfand für somalisches Wohlverhalten gewahrt werden. Somalia wiederum stärkte im Oktober 2024 sein Bündnis mit Ägypten und Eritrea. Fast parallel zum Besuch des somalischen Präsidenten Hassah Sheikh Mohamud in Addis Abeba im Januar traf sein Außenminister Ahmed Moallim Fiqi mit den Amtskollegen aus Kairo und Asmara zusammen. Ziel dieser diplomatischen Verfahren beider Seiten scheint zu sein, sich für die ab Februar anstehenden Verhandlungen einen größtmöglichen Handlungsspielraum zu verschaffen und so die eigene Position zu stärken. Ob es zu einer nachhaltigen Befriedung der Region kommt oder die Spannungen in der Region weiter anhalten, ist derzeit noch nicht abzusehen.
Aleksandar Abramović