Ein langer Abend mit Sprach- und Klangexperimenten

Ein langer Abend mit Sprach- und Klangexperimenten

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Antjie Krog zeigte beeindruckend, wie Lyrik nicht in Büchern verstauben, sondern eine abwechslungsreiche Live-Performance sein kann

Foto: Afrika Medien Zentrum

„Körper, beraubt“, lautete der Titel des Antjie-Krog-Abends, der am Sonntag, 16. November, im Theater HAU Hebbel am Ufer in Berlin veranstaltet wurde. Zum Anlass des Erscheinens des gleichnamigen ersten Gedichtbandes in deutscher Sprache der international bekannten südafrikanischen Dichterin hatte der DAAD ein vielseitiges Programm zusammengestellt.

Eingeleitet wurde der Abend durch Afro-Soul-Sängerin Nomfusi und ihre Band, die das Publikum einstimmten auf ein vielsprachiges und vielschichtiges Programm. Im Hauptteil des Programms präsentierte Antjie Krog ihre Gedichte, mal allein, mal zusammen mit dem Klangkünstler und Vokalisten Christian Kesten. Sie nahmen das Publikum mit in eine Welt der Sprache und Worte. Vorgetragen wurde auf Afrikaans, Englisch, Deutsch und /Xam, einer Sprache, die seit Jahrtausenden im südlichen Afrika gesprochen wurde, bis sie durch die Vertreibung ihrer Sprecher im letzten Jahrhundert verschwand. Nun diente sie als Grundlage einiger Gedichte Krogs. Die südafrikanische Poetin hat sich mit aufgezeichneten alten Gedichten und Erzählungen der /Xam beschäftigt und sie in Poesie umgeformt, um sie wieder aufleben zu lassen. Sowohl diese speziellen Gedichte als auch das gesamte Werk Antjie Krogs sind gekennzeichnet von einem besonderen Umgang mit Sprache. Sie experimentiert mit den Worten, verfremdet sie und kombiniert sie zu kunstvoller Poesie. Dabei versucht sie sich auch immer wieder anderen Sprachen als ihrer Muttersprache Afrikaans anzunähern, wie die Auseinandersetzung mit den /Xam-Erzählungen zeigt. Es ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit Identität – der eigenen und der ihres Landes.

Im HAU Hebbel am Ufer performte Krog ihre Gedichte zusammen mit Christian Kesten auf eine spezielle Weise, die eine Mischung war aus Wortgefechten, Simultanübersetzung und den erstaunlichsten Sprach- und Lautäußerungen, die besonders Kesten beeindruckend vortrug, ohne dabei auch nur eine Regung in seinem Gesicht erkennen zu lassen.
Das Publikum schwankte zwischen Irritation, Begeisterung und einem Sich-Einlassen auf das sprachliche Experiment. Anschließend an die Performance wurde Krog auf der Bühne in einem kurzen Gespräch noch zu einigen Besonderheiten ihres Werkes und des soeben Gesehenen und Gehörten befragt. Das machte das Vorgetragene noch einmal ein bisschen besser verständlich und gab einen einordnenden Blick auf die Arbeit und die Selbstsicht der Lyrikerin. Zum Ausklang spielte noch einmal Nomfusi mit ihrer Band und rundete den südafrikanischen Abend ab. Und wer danach noch immer nicht genug hatte, konnte in der Lounge des Theaters noch mit einem Glas Wein mit der Dichterin auf ihre Neuveröffentlichung anstoßen.

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