Fachgespräch
Dr. Luise Steinwachs, vom Berlin-Postkolonial e.V., konnte in ihrem einleitenden Input auf Erfahrungen aus drei Jahren Schulpartnerschaft Berlin-Windhoek zurückgreifen. Sie sprach vor allem von einem angestoßenen individuellen Lernprozess der 13 bis 19-Jährigen. In ihrem Papier zu „Persönlichen Begegnungen in Schulpartnerschaften“ kommt die Autorin u.a. zu dem Schluss kommt, dass persönliche Begegnungen im Rahmen von Schulpartnerschaften Vorurteile und Klischees verstärken können. Wobei der Austausch eigentlich die Fähigkeit zu einem Perspektivenwechsel unterstützen und ein kritisches Nachdenken über die eigene Rolle in der globalen Welt provozieren soll. Doch genau hier liegt der Knackpunkt. Auf den deutschen Schülern laste eine „Art Erfolgsdruck, der zu großer Frustation führen kann“. Dieser Druck ensteht durch die Erwartungen der Zu-Hause-Gebliebenen, die sich im Vorfeld einer solchen Reise wünschen, dass ihre Phantasien, Klischees und Bilder durch Erklärungen und Exotisierungen erfüllt werden. Viele Schüler unterlägen dadurch einer eingeschränkten Perspektive, die sie während ihres gesamten Aufenthaltes begleitet, um die Erwartungen des daheimgebliebenen Umfeldes erfüllen zu können. Es kommt zu Generalisierungen oder zusammengebastelten Erklärungen mit der Tendenz zu rassistischen Konstruktionen, sagt Dr. Steinwachs. Die eigenen Privilegien werden oft nicht hinterfragt. Zudem führen persönliche Begegnungen eher zu Selbstversicherung der Jugendlichen und zu einem starken Drang, helfen zu wollen, anstatt aufkommende Irritationen im Rahmen der Begegnung zuzulassen, auszuhalten und mit dieser Verunsicherung konstruktiv umzugehen. Ihre Nachrednerin Birgit Mitawi, RAA Brandenburg e.V., ergänzt: „Jugendliche sehen und hören nur das, was sie sehen und hören wollen“. Sie beschäftigt sich seit den 1990er Jahren mit der Begleitung von brandenburgisch-sansibarischen Schulkontakten und stellt klar, dass die Vorbereitung unüberwindbare Grenzen hat. Derartige Begegnungsprogramme seien ein ständiger Prozess, der Reflektionsgruppen, Vorträge und Selbstanalysen verlange. Nicht immer seien hierfür die Zeit und die Mittel vorhanden. Da solche Programme den Anspruch haben, Horizonte zu erweitern und vorhandene individuelle und kollektive Vorurteilsstrukturen aufzuweichen kommen die Teilnahmer des Fachgesprächs zu dem Schluss, dass sowohl die Vor- und Nachbereitung, als auch die Begleitung einer Schulpartnerschaft von Grund auf verbessert werden muss, um überhaupt noch solche Begegnungsreisen zu rechtfertigen. Die Grundlage des oben vorgestellten Papieres ist eine Erhebung an sieben Schulen und Gespräche mit Lehrer/innen und Schüler/innen, die an zwei Begegnungsreisen mit Schulpartnerschaften aus verschiedenen afrikanischen Ländern teilgenommen haben. Zudem wurden noch 90 Berichte von Lehrer_innen und Schüler_innen ausgewertet.
Das Papier finden Sie unter folgender Adresse im Internet:
berlin-postkolonial.de/cms/images/dokumente/partnerschaftentwickleln/steinwachs_2012_zitat_arm_aber_gluecklich_schuelerbegegnungen.pdf
Nicolas Steffen