Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL fordern die Gleichbehandlung aller Geflüchteten aus der Ukraine

Landesflüchtlingsräte und PRO ASYL fordern die Gleichbehandlung aller Geflüchteten aus der Ukraine

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Nach der jetzigen Gesetzeslage würden sich geflüchtete Drittstaatler*innen ab dem 1. September durch ihren Aufenthalt in Deutschland strafbar machen. © Lithian, Shutterstock.com
Nach der jetzigen Gesetzeslage würden sich geflüchtete Drittstaatler*innen ab dem 1. September durch ihren Aufenthalt in Deutschland strafbar machen. © Lithian, Shutterstock.com

Anlässlich der Innenminister*innenkonferenz vom 1.-3. Juni 2022 in Würzburg fordern PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte sowie viele weitere Organisationen und Initiativen eine bundesweite Regelung, die den Schutz von allen aus der Ukraine geflüchteten Menschen garantiert und einen sofortigen Stopp der Diskriminierung von
Drittstaatler*innen und Staatenlosen aus der Ukraine.

Seit dem militärischen Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine sind bereits über sechs Millionen Menschen von dort geflohen, größtenteils in die Anrainerstaaten, viele hunderttausend Menschen sind aber auch in die Bundesrepublik geflüchtet.

Ukrainer*innen erhalten in Deutschland gemäß der EU-Richtlinie 2001/55/EG zur Gewährung vorübergehenden Schutzes und gemäß EU-Ratsbeschluss vom 4. März 2022 unbürokratischen Zugang zu Aufenthaltstitel, Arbeitserlaubnis und Sozialleistungen. Sie bekommen so ein wichtiges Stück Sicherheit in der ihr Leben bestimmenden Katastrophe des Krieges.

Doch andere Kriegsflüchtlinge, die in der Ukraine gelebt, studiert oder gearbeitet haben und sogar Staatenlose, die ihr gesamtes Leben dort verbracht haben, werden größtenteils schlechter gestellt, obwohl sie vor dem gleichen Krieg, vor der gleichen Gewalt geflohen sind: Nicht-ukrainische Drittstaatler*innen mit befristetem Aufenthaltsrecht in der Ukraine sind einem Rundschreiben des BMIzufolge bisher von dem Recht auf temporären Schutz als Kriegsvertriebene nach § 24 AufenthG ausgenommen, wenn angenommen wird, dass eine „sichere und dauerhafte Rückkehrmöglichkeit“ ins Herkunftsland besteht.
Anstatt den Fokus auf den bisherigen Lebensmittelpunkt in der Ukraine zu legen, soll also die vermeintliche Rückkehrmöglichkeit ins ursprüngliche Herkunftsland ausschlaggebend sein – und das, obwohl nach den Leitlinien der EU-Kommission für alle EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, Menschen, die eine „sinnvollere Verbindung zur Ukraine haben als zu ihrem Herkunftsland“, ebenso den Schutz für Kriegsvertriebene zu gewähren.

Zwar ist allen Menschen aus der Ukraine laut der Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung erst einmal der Aufenthalt bis zum 31. August im Bundesgebiet erlaubt. Das soll ihnen die Möglichkeit eröffnen, entweder den vorübergehenden Schutz zu beantragen oder die Voraussetzungen für andere aufenthaltsrechtliche Zwecke zu erfüllen. Letzteres ist jedoch in der Kürze der Zeit für viele Geflüchtete kaum möglich. Langfristig besteht die Gefahr, dass
die Menschen dauerhaft in prekäre Lebenslagen geraten.

„Drittstaatsangehörige und Staatenlosen können aufgrund der unklaren Rechtslage und des damit einhergehenden restriktiven Verwaltungshandelns in Deutschland kaum Perspektiven im Hinblick auf Arbeit, Wohnung, Erwerb von Deutschkenntnissen, Ausbildung und Studium entwickeln. Sie haben kaum Möglichkeiten, hier anzukommen, sich zu orientieren, die Erlebnisse des Krieges und der Flucht zu überwinden und sich gesellschaftlich zu beteiligen – und dies, obwohl sie genauso von Krieg und Flucht betroffen und womöglich sogar traumatisiert sind, wie ukrainische Staatsangehörige“, so Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin.

Wiebke Judith, Leiterin des Teams Recht & Advocacy bei PRO ASYL, kritisiert: „Alle Menschen, die aus der Ukraine vor Krieg und Gewalt fliehen mussten, haben ihren Lebensmittelpunkt verloren, aber nicht alle werden in Deutschland gleich behandelt. Drittstaatsangehörige und Staatenlose werden trotz vorläufig legalem Aufenthalt von Ausländerbehörden zum Teil unter Druck gesetzt auszureisen. Anträge auf den vorübergehenden Schutz werden oft nicht einmal angenommen. Das zeigt: für alle aus der Ukraine geflüchtete Menschen braucht es richtige Sicherheit und Perspektive durch einen Aufenthaltstitel.“

Wir fordern von Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine bundeweite Regelung für ein zweijähriges Aufenthaltsrecht für alle aus der Ukraine Geflüchteten, um für alle Menschen, die vor dem Angriffskrieg Russlands fliehen mussten, tatsächlichen Schutz und Perspektiven zu schaffen.
Außerdem fordern wir die Länder auf, schon jetzt alle rechtlichen Spielräume zu nutzen und auch den aus der Ukraine Geflüchteten ohne ukrainische Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht zu gewähren.

Unterzeichnende:
Adopt a Revolution
Amnesty International Bad Kreuznach
Ausländerarbeit der Ev. Galiläa-Samariter-Kirchengemeinde
AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
BBZ – Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant*innen
Bellevue di Monaco eG
BIPoC Ukraine
BZSL e.V.
Diaspora Solidarity Group
Each One Teach One (EOTO) e.V.
Gemeinschaftsunterkunft „Haus Leo“ – Verein für Berliner Stadtmission
Hinterland Magazin
Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz
Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland: ISD
JoG – Jugendliche ohne Grenzen
KommMit e.V.
KuB – Kontakt- und beratungsstelle für Flüchtlingse und Migrant_innen e.V.
Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.
LIGA – Leininger Initiative Gegen Ausländerfeindlichkeit
Medinetz Mainz e.V.
MeG betreutes Wohnen gGmbH
Migrationsrat Berlin
Multikulturelles Zentrum Trier e.V.
Münchner Flüchtlingsrat e.V.
Netzwerk Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern-NRDB
PxP Embassy
rage against abschiebung
Seebrücke Potsdam
SyriaNotSafe
We’ll Come United Berlin-Brandenburg
Xenion – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.

KONTAKT: Flüchtlingsrat Berlin, 030/22 47 63 11, 0176 772 093 20 (mobil), brezger@fluechtlingsrat-berlin.de


Zur Berliner Situation der Drittstaater*innen und Staatenlosen aus der Ukraine:
Ebenso wie in den anderen Bundesländern haben auch in Berlin aus der Ukraine geflüchtete Drittstaater*innen und Staatenlose mit der aufenthaltsrechtlich unsicheren Situation zu kämpfen. Im Gegensatz zu den anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen erhalten sie jedoch in Berlin nach Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG keine Fiktionsbescheinigung auf amtlichen Vordruck der Bundesdruckerei, sondern lediglich ein pdf-Dokument zum Selbstausdruck. Dieses soll die Antragstellung und den legalen Aufenthalt bestätigen enthält aber weder ein Foto der Antragsteller*in, noch eine behördliche Unterschrift oder einen Stempel. Während für Arbeitgeber*innen, Universitäten,
Sprachschulen und Behörden in Hamburg und Bremen etwas mit einer Fiktionsbescheinigung auf Bundesdruckereipapier anfangen können, ist das Gegenteil der Fall bei den in Berlin genutzten Zettel-Bescheinigungen. Die pdf-Fiktionsbescheinigung ist zudem so schwammig formuliert und mit etlichen Bedingungen als Voraussetzung der Arbeitsaufnahme versehen, dass kein:e Arbeitgeber:in Drittstaater:innen und Staatenlose aus der Ukraine guten Gewissens einstellen kann, weil eine eindeutige Arbeitserlaubnis fehlt Unklar ist außerdem, ob mit den Zettelbescheinigungen Leistungen beim Jobcenter bezogen werden können. Schon in der Vergangenheit gab es bei Sozialleistungsträgern, Vermietenden, Arbeitgeber*innen und anderen Stellen Probleme mit vom Berliner Landesamt für Einwanderung ausgestellten Fantasiepapieren zur Verlängerung von Aufenthaltstiteln. Wir fordern vom Land Berlin, Fiktionsbescheinigungen auf dem dafür vorgesehen Papier der Bundesdruckerei für alle antragstellenden Geflüchteten aus der Ukraine auszustellen und ihnen so Zugang zu Studium, Ausbildung und Arbeit und SGBIILeistungen zu ermöglichen.


Nach einem Senatsbeschluss vom 5. April 2022 wurde eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, um aufenthaltsrechtliche die Möglichkeiten des Landes Berlin zur Unterstützung für aus der Ukraine geflüchtete internationale Studierende zu prüfen. Wir begrüßen, dass der Senat den Handlungsbedarf für Drittstaater*innen erkannt hat, fordern jedoch nicht nur für Studierende, sondern für alle kriegsvertriebenen Drittstaater*innen (darunter auch ausländischen Arbeitskräfte) eine aufenthaltsrechtliche Lösung.