Nach den Attentaten von Paris: Wo bleibt die Solidarität mit Nigeria?
Dieser Artikel aus der Februar-Ausgabe des LoNam-Magazins in diesem Jahr hat an seiner Aktualität nichts verloren, daher veröffentlichen wir ihn an dieser Stelle noch einmal.
15. Februar 2015 – Knapp einen Monat ist es her, dass islamistische Fundamentalisten in einem blutigen Terrorakt zwölf Redakteure der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo und vier jüdische Geiseln in Paris töteten. Die Bilder des Gewaltverbrechens gingen um die Welt und hinterließen tiefe Wunden. In Nigeria sind Terroranschläge trauriger Alltag. Doch wo bleibt die Solidarität mit den Hinterbliebenen dort?
Selten zeugten die Reaktionen auf ein Ereignis solch starken solidarischen Zusammenhalt, wie es in Frankreich und in anderen Teilen der Welt nach den Attentaten auf die Redaktion der Zeitschrift Charlie Hebdo und einem jüdischen Supermarkt im Januar der Fall war. Selbst moslemische Glaubensvertreter sprachen sich gegen die im Namen des Islams verübten Anschläge aus. Millionen Franzosen gingen wenige Tage danach auf die Straße, um den Todesopfern zu gedenken. Sie zeigten Flagge für die Meinungsfreiheit und den Frieden zwischen den Religionen. Doch während der sogenannte 11. September Frankreichs in die Geschichte eingeht, üben zeitgleich islamische Terroristen der Gruppe Boko Haram grauenhafte Mordanschläge in Nigeria aus. Die Zahl der Opfer übertreffen die Dimensionen derer in Paris bei Weitem.
Attentate, wie jene in Paris vom 07. Januar 2015, gehören im nördlichen Teil Nigerias schon fast zum alltäglichen Leben. Nur einen Tag vor der beispiellosen Demonstration in Paris, kam es zu einem Selbstmordanschlag in der nordöstlichen Stadt Maiduguri. Ein 10-jähriges Mädchen riss unweit eines Supermarktes 16 Menschen in den Tod, als sich ein Sprengsatz an ihrem Körper entzündete. Dutzende Menschen wurden bei dem Anschlag schwer verletzt. Das nigerianische Militär geht von einem geplanten Angriff aus. Die Täter? Boko Haram!
Seit Jahren jagt ein schlimmer Terroranschlag den nächsten. Erst kürzlich wurden ganze Dörfer in der Stadt Baga im Bundesstaat Borno in Brand gesetzt. Medienberichten zufolge kamen an diesem Tag bis zu 2.000 Menschen um. Der Brandanschlag ist damit der vermutlich bisher schlimmste Überfall der Boko Haram. Unter den Leidtragenden sind besonders viele Kinder. Sie haben nicht nur ihr Zuhause verloren, sondern auch ihre Eltern und Familienangehörigen.
Im Namen des Heiligen Krieges wütet Boko Haram unaufhaltsam und ein Ende der Terrorwellen ist bislang nicht in Sicht. Das nigerianische Militär musste bis dato immer wieder schwere Rückschläge einstecken. Militärstützpunkte an den Grenzen zu Tschad, Niger und Kamerun wurden durch Angriffe der Terroristen zerschlagen oder die nigerianischen Soldaten zogen sich selbst zurück. Die nigerianische Miliz gehe aber immer wieder in die Offensive und dränge Boko Haram-Kämpfer teilweise erfolgreich zurück. Im Nachbarland Kamerun wurden erst kürzlich bei einem Angriff 143 Islamisten außer Gefecht gesetzt. Glücklicherweise gab es nur wenige verletzte Soldaten. Trotzdem scheint die Situation immer bedrohlicher zu werden.
Angesichts der Tatsache, dass Nigeria im Vergleich zu Frankreich täglich mit Terror zu kämpfen hat, wird die Frage laut, warum solidarische Bekundungen wie in Frankreich für die Opfer in Nigeria ausbleiben. Genießt die Medienberichterstattung über die Attentate auf Charlie Hebdo tatsächlich mehr Raum, als jene Medienberichte über die Gräueltaten in Nigeria? Wieso solidarisieren sich so wenige öffentlich mit den zahlreichen Opfern islamistischer Terroristen fernab von Paris?
Blickt man auf das Jahr 2014 zurück, so stimmt das nicht ganz. Bei der Entführung von über 200 Mädchen durch die Boko Haram im April 2014 wurde die weltweite Kampagne #bringbackourgirls ins Leben gerufen. Musiker, Schauspieler und viele andere Berühmtheiten, unter anderem US-First-Lady, Michelle Obama, riefen mit Bannern dazu auf, „unsere Mädchen zurückzubringen“. Über Monate hinweg posteten und tweeteten Menschen in den sozialen Netzwerken über die Massenentführung. Passiert ist trotzdem nichts. Die Mädchen sind noch immer verschollen. Und schuld daran ist diesmal nicht das mangelnde Interesse für die Probleme in Nigeria. Eine Ursache für die Dominanz der Frankreich-Attentate in den Medien liegt vor allem im eingeschränkten Zugang für Journalisten in gefährliche Gebiete wie den Nordosten Nigerias. Die gewalttätigen Streifzüge der Boko Haram schrecken ab. Nur wenige Journalisten dürfte es das Risiko wert sein, ihr Leben für eine exklusive Story zu geben. Die Hauptursache jedoch liegt jedoch in einer konsequenten Haltung der französischen Regierung. Während François Hollande in diesen dunklen Zeiten dem französischen Volk mit Entschiedenheit und scharfer Kritik an den Terrorakten begegnet, hält sich der nigerianische Staatspräsident Goodluck Jonathan eher zurück. Es ist bekannt, dass die Regierung Nigerias das Gewand der Korruption noch nicht vollständig abgelegt hat. Bleibt nur zu hoffen, dass die nigerianische Regierung verdeckt bereits neue Strategien bei der Bekämpfung der Boko Haram entwickelt. Und das so schnell wie möglich.
Nadége Fundschler