Petition aufgrund anhaltender Bedrohung der Massai neben dem EU-AU-Gipfel eingereicht
Am Rande des EU-AU-Gipfels in Brüssel überreichte Avaaz, ein in den USA ansässiges Online-Aktivistennetzwerk, der tansanischen Präsidentin Samia Suluhu Hassan eine Petition. Sie fordern einen sofortigen Stopp der Zwangsumsiedlung von mehr als 70.000 Massai aus dem Norden Tansanias.
Die Petition ist mit 2,7 Millionen Unterschriften unterzeichnet. In einem Interview mit News24 sagt Sarah Morrison, Avaaz’s Kampagnendirektorin: „[…] Wir hoffen auch, dass die Präsidentin, wenn sie sieht, dass sich die globale Gemeinschaft hinter diesen Aufruf stellt, sich für die Rechte ihres ‚Volkes‘1 einsetzt und sich jedem Versuch widersetzt, sie von ihrem angestammten Land zu vertreiben.“
Ausgelöst wurde die Protestreaktion und Petition durch die am 21. Januar veröffentlichten Pläne der tansanischen Regierung, welche auf die Vergrößerung der Schutzgebiete abzielen, um den Tourismus zu fördern. Das Ngorongoro-Schutzgebiet wird nun verstärkt als internationale Einnahmequelle wahrgenommen, wodurch ein nationales Interesse begründet wird. Jedoch verstoßen diese Pläne gegen die Rechte der Massai und tragen nicht zum Schutz der Natur bei. Die Schaffung des Wildtierkorridors und die Umsiedlung der Gemeinden würden Hunger und Armut verschärfen, da die Lebensgrundlage der Hirten von den Weideflächen und Wasserquellen der Region abhängt.
Die Pläne der Regierung umfassen die Verpachtung des Landes an Ortello (manchmal auch Otterlo) Business Corporation (OBC), ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässiges Jagdunternehmen. Nach Angaben des Oakland Institute, eines politischen Think-Tanks mit Sitz in den USA, wird OBC die kommerzielle Jagd in dem Gebiet kontrollieren. Das Unternehmen war in der Vergangenheit an mehreren Vertreibungen der Massai in der Region beteiligt und tötete weit mehr als Tausende von seltenen Tieren in dem Gebiet, darunter Löwen und Leoparden.
Diese Verpachtung fördere einen Elite- oder Großwild-Jagdtourismus, welcher sich in den letzten Jahren zu einem bedeutsamen Wirtschaftszweigs Tansanias entwickelte. Die Großwildjäger*innen sind ihres Rufs bedacht, weswegen sie immer wieder den wirtschaftlichen und ökologischen Nutzen der Jagd betonen. Gleichzeitig bedienen sie sich damit aber auch Stereotype und verkaufen die Trophäenjagd als nachhaltigen Tourismus, der lokale Arbeitsplätze schaffe.
Seit über zwei Jahrzehnten begegnen die Massai einer immer größer werdenden Angst, von dem Land der Loliondo-Divison im Ngorongoro-Schutzgebiet vertrieben zu werden. Zuletzt hatte das East African Court of Justice (EACJ) 2018 eine einstweilige Verfügung erlassen. Daraufhin wurde es der tansanischen Regierung untersagt, Massai-Gemeinschaften von dem 1.500 Quadratkilometern rechtmäßig eingetragenem Land in der Loliondo-Division von Ngorongoro im Norden Tansanias zu vertreiben.
Anhand von gemeinsamen Protesten wird die Bereitschaft der Massai, für ihr angestammtes Land zu kämpfen, sichtbar. Sie erheben ihre Stimmen, um sich für ihre Landrechte und für ihre Menschenrechte einzusetzen. „Jeder Versuch, uns ohne unsere Zustimmung zu vertreiben, ist ein Verstoß gegen dieses Gesetz und gegen das gesamte Konzept eines gemischten Landgebiets, in dem Menschen, Wildtiere und Vieh zusammenleben“ sagte ein 33-jähriger Massai gegenüber TheCitizen.
Die Loliondo-Division umfasst circa eine Fläche von 4.000 km² und wurde als Wildschutzgebiet ausgewiesen, eine Form des Wildtiermanagements, die die Koexistenz von Menschen und Wildtieren ermöglicht. Das Ngorongoro-Schutzgebiet wurde erstmalig 1959 per Gesetz als Landnutzungsgebiet eingerichtet, das sowohl der Weidewirtschaft der Massai als auch dem Schutz der Wildtiere dient. Nach Anuradha Mittal, der geschäftsführenden Direktorin des Oakland-Instituts, haben die Massai über viele Jahre eine symbiotische Beziehung entwickelt, die es der lokalen Ökologie, den domestizierten Nutztieren und den Menschen ermöglicht hat, in einer ressourcenknappen Umgebung zu koexistieren.
Fußnote 1: Der hier verwendete Begriff des ‚Volkes‘ (people im Original) dient einer wortwörtlichen Übersetzung und soll keine kategorischen Ausschlüsse vermitteln.
Miriam Keßler