Radikalislamischer Prediger aus Ägypten löst Empörung aus
Am vergangenen Samstag ist der Geistliche in Tunesien eingetroffen. Zunächst waren Gerüchte aufgekommen, die islamische Ennahda hätte ihn eingeladen. Die Partei distanzierte sich jedoch von diesem Gerücht ebenso wie von seiner Person, schreibt Tunisia Live. Ghoneims Vorstellung eines Zusammenschlusses von Ennahda mit den tunesischen Salafisten befürwortet sie nicht eindeutig. Seine Auffassung zur Mädchenbeschneidung teilt Ennahda nicht. Eingeladen worden sei Ghoneim von mehreren islamischen Organisationen, die ihrerseits von privaten Geldgebern finanziert worden seien. Nachdem er bereits in einigen Städten Predigten und Lesungen gehalten habe, sei er schließlich in die Hauptstadt Tunis gekommen, um in einer großen Sporthalle vor einigen tausend Menschen zu sprechen, so die Zeitung Jeune Afrique.
Die Ideologie, die Ghoneim verbreitet, ist an sich nichts Neues – man kennt sie von den radikalislamischen Salafisten aus Ägypten: Er fordert die Anwendung des islamischen Rechts der Scharia, übt harsche Kritik an den Gottlosen, rechtfertigt zudem die Genitalverstümmelung bei Frauen als „ästhetische Operation“.
In Tunesien allerdings erregte Ghoneim damit die Gemüter. Bürgerbewegungen reagierten umgehend auf die Äußerungen, indem sie die Regierung aufforderten, Ghoneims Kampagne zu unterbinden, weil er „zu Hass und Gewalt anstiftet“ und sich in tunesische Angelegenheiten einmische. Einige Anwälte hätten Anzeige gegen ihn erstattet, da er Moscheen mit seinen Reden zu politischen Zwecken missbraucht habe, berichtet Jeune Afrique weiter. Die tunesische Souveränität sei gefährdet, zitiert die Zeitung eine Anwältin. Tunisia Live zufolge könnten dem Geistlichen sogar bis zu sechs Monaten Haft drohen, weil er für die Nutzung der in staatlichem Besitz befindlichen Sporthalle keine entsprechende Genehmigung eingeholt habe.
Indessen sagte Mufti Othman Battikh laut Middle East Online, die Botschaften Ghoneims würden dem in Tunesien praktizierten Islam zuwiderlaufen. Das Land sei seit 14 Jahrhunderten islamisch und es brauche keine radikalen Prediger aus dem Ausland. Bei den Menschen scheint sich allmählich die Angst vor der gesellschaftlichen Spaltung breitzumachen. Die Gefahr eines radikalen, importierten Islam sei real, heißt es.
Ghoneim, der seit 2009 wegen „Verherrlichung terroristischer Gewalt“ auf einer Liste von Personen stehe, denen die Einreise nach Großbritannien untersagt ist, dürfte spätestens am Freitag wieder abreisen.
N. W., 16.02.2012